Schule ist keine Insel

23. Mai 2023

Am 22. Mai 2023 fand die Veranstaltung „Schule ist keine Insel. Handlungsfelder für die diskriminierungskritische Schule“ im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien statt. Unter den rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern befanden sich vorwiegend Praxislehrerinnen und Praxislehrer der PH Wien, die als Hochschullehrende von Institutsleiter Bernhard Schimek (IBG) zu dieser Fortbildung herzlich begrüßt wurden.

Praxislehrerinnen und Praxislehrer der PH Wien fungieren für unsere Studierende als Vorbilder: Es ist entscheidend, dass Studierende unter Heranführung lernen, wie sich Schule als sozialer Raum in die Gesellschaft einschreibt. Sich bewusst zu machen, wie privilegiert man eventuell selbst aufgewachsen ist und welche Rassismen es zu verlernen gilt, sind Herausforderungen, denen es sich zu stellen gilt.

Nach der Begrüßung von Gabriele Schmid (Bildungsabteilung, AK Wien) erfolgte die Keynote von Nazime Öztürk (Universität Wien), die multiperspektivische Einblicke in Deutschförderklassen gewährte. Danach wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einzelne Workshop gebeten, um einen bestimmten Aspekt institutioneller Diskriminierung zu vertiefen. Die fünf Workshops „Othering“ (Leiterin: Martina Sturm), „Bias“ (Leiterin: Claudia Leditzky) „Noch Unterricht?!“ (Leiter: Heribert Schopf), „Macht“ (Leiter: Tobias Becker, BD Wien) und „Sprache“ (Leiter: Rainer Hawlik) bereicherten das pädagogische Verständnis um die Betrachtung verschiedener Diskriminierungskategorien in ihren Überschneidungen und Gleichzeitigkeiten. Im Anschluss erfolgte eine Zusammenführung im Plenum, bei der die Workshopleitenden aus den einzelnen Gesprächsrunden berichteten. Ein Ausklang bei einem kleinen Stehbuffet bot weitere Möglichkeiten für einen intensiven Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Organisiert wurde die Veranstaltung in Nachfolge der Reihe „Niemand ist eine Insel“ von der Ko.M.M.M. am Institut für übergreifende Bildungsschwerpunkte (IBS) und der institutsübergreifenden AG Rassismuskritische Bildung an der PH Wien.

 

Institutsleiter Schimek begrüßt die Praxislehrerinnen und Praxislehrer

Die Workshopleiterinnen und – leiter Schopf, Becker, Leditzky und Sturm bei der Zusammenführung im Plenum

 

Beschreibung einzelner Workshops 

 

Heribert Schopf: Noch Unterricht?!

Unterricht kennen wir und Unterricht kennen wir nicht. Mit dem Unterrichtsbegriff geht gleichsam die Erwartung einher, dass er gelingt, kein Wirkungsversprechen. Mit seinem Verlauf aber verweist der Unterricht auf Defizite seiner Umsetzung. Diese offensichtliche Differenz bleibt zumeist unbesprochen. Es ist schwierig genug, Lehren und Lernen, Erziehung und Disziplinierung auf die Reihe zu bringen. Im Workshop soll diesen Differenzen und Nebeneffekten gegenwärtiger Didaktiken und Unterrichtsarrangements nachgespürt werden. Mit einer Aufklärung über Reproduktionslogiken von Ungleichheit durch das, was man derzeit unter Unterricht versteht und praktiziert, beginnt zumeist eine Reform.

 

Claudia Leditzky: Bias

„An unserer Schule gibt es keine Diskriminierung.“ „Rassismus kann in meiner Klasse gar nicht vorkommen.“ „Ich behandle alle Schüler*innen gleich.“ „Unter den Kindern gibt es keine Vorurteile.“ „Wir machen bei uns keinen Unterschied, egal woher jemand kommt.“ Treffen diese Aussagen auch auf Sie zu? Oder würden Sie gern widersprechen?  Welche Rolle spielen Bias, Stereotype und Vorurteile in unserem Leben? Welche Bedeutung haben sie für die Schule? Finden wir es gemeinsam heraus!

 

Martina Sturm: Othering

Das Phänomen Othering beschreibt den Vergleich und die Abgrenzung einer Gruppe von einer anderen. Durch diese Trennung und Differenzierung zwischen „uns“ und „den Anderen“ wird das Gegenüber als „fremd“ kategorisiert und eine Distanz geschaffen, die, wenn die Machtverhältnisse kippen, eine Überlegenheit der einen Gruppe gegenüber der anderen Gruppe repräsentiert. Gemeinsam diskutieren wir die (Re-)produktion konstruierter Differenzen durch pädagogische Handlungsweisen und finden Lösungsansätze für ein respektvolles Miteinander im Schulalltag.

 

Tobias Becker: Macht

Schulalltag in den 2020er Jahren, eine Kompetenzmessung jagt die nächste. Lehrpersonen sind getrieben, Kompetenzen zu vermitteln; Schüler*innen getrieben, sie zu erwerben. Denn Kompetenzbesitz sei Garant eines erfüllten, chancengleichen Lebens in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Der ausstehende Workshop setzt die Lüge des aus den Fugen geratenen Kompetenzdiskurses auseinander, jede*r könne es schaffen: Denn die 13-jährige Leyla sitzt nach einigen nicht bestandenen MIKA-D-Testungen nach wie vor in einer Volksschulklasse. Wer nicht mitspielt oder mitspielen kann – verliert. Hier schlägt die Macht des Kompetenzdiskurses in Herrschaft über konkrete Individuen um. Diese und andere (unbequeme) Wahrheiten des Kompetenzdiskurses sollen gemeinsam mit den Teilnehmer*innen diskutiert werden.

 

Rainer Hawlik: Sprache

Im gegenwärtigen Schulbetrieb gilt als Um und Auf des Gebildetseins die Beherrschung der Bildungssprache Deutsch. Das Versprechen ist: Wer Deutsch den grammatikalischen Regeln entsprechend richtig spricht, erhält das Etikett „Zur Bildung fähig“. Dass dieses Versprechen aber mit einer Teststrategie einhergeht, an der mehrsprachige Schüler*innen notwendig scheitern, macht das redliche Ansinnen, mehrsprachigen Schüler*innen die Schulumgangssprache Deutsch beizubringen, zu einer die Mittelschicht begünstigenden Selektionsstrategie.

 

 

 

 

 

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